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Privat: Der Drahdiwaberl Gründer Stefan Weber ging auf seine letzte Tournee

Der Drahdiwaberl Gründer Stefan Weber ging auf seine letzte Tournee

Stefan Weber, der Gründer der Anarcho-Combo Drahdiwaberl starb im Alter von 71 Jahren nach einer Parkinson-Erkrankung

Der Versuch eines Nachrufes verbunden mit (m)einem letzten Interview.

Er wollte die "wildeste, ärgste und obszönste Combo des Landes" gründen. Mit Drahdiwaberl ist Stefan Weber das gelungen, seine anarchische Chaosband schrieb österreichische Musikgeschichte. Jetzt ist der Drahdiwaberl-Gründer im Alter von 71 Jahren gestorben. Stefan Weber, im Zivilberuf Werkerziehung und Zeichenlehrer, litt seit vielen Jahren an Parkinson.
Geboren und aufgewachsen war Weber in Wien, nach eigener Aussage "in einem kommunistischen Elternhaus". Er selbst beteiligte sich als Jugendlicher an der geschichtsträchtigen Besetzung der Kunstakademie, gleichzeitig begann die Leidenschaft für die Musik in ihm zu keimen. 1966 gründete er die Gruppe Webbb’s Crew, aus der 1969 Drahdiwaberl entstand.
Und die sollte bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Gruppe wurde bald nach der Gründung mit dezidiert politischen Liedern und einer grellen, mitunter obszönen Liveshow bekannt – gemäß der Idee, sich als wildeste Band Österreichs zu gebärden. Parallel zu den Wiener Aktionisten gestalteten sich die Konzerte als Materialschlacht, bei der die Zuhörer mit Nahrungsmitteln beworfen wurden, weshalb die Auftritte nicht selten in Verhaftungen und Prozessen mündeten. Zugleich begründeten Musiker wie Falco oder Thomas Rabitsch bei Drahdiwaberl ihre Karrieren. Und auch Jazz Gitti war lange Mitglied, ebenso wie Tochter Monika.
Mit "Lonely" an die Chartsspitze
Erst 1981 veröffentlichte die wilde Truppe mit "Psychoterror" ihre allererste Platte, bevor Weber 1983 im Duett mit Lukas Resetarits mit der Single "Lonely" (vom Album "Werwolfromantik") gar die Spitze der Charts erklomm.
So markant die Auftritte und der folgende Aufschrei auch waren, so überschaubar blieb der kommerzielle Erfolg. Deshalb verdingte sich Weber ab 1970 auch als Lehrer für Zeichnen und Werken an einem Wiener Bundesrealgymnasium, bis er den Posten wegen seiner Parkinsonerkrankung aufgeben musste.
2005 wurde Stefan Weber mit einem Amadeus Austrian Music Award für sein Lebenswerk geehrt und erhielt auch das Silberne Verdienstzeichen des Landes Wien. Der allerletzte "Drahdiwaberl"-Auftritt fand vier Jahre später statt. In den letzten Jahren hatte sich Stefan Weber aufgrund seiner Parkinson-Erkrankung aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Als Erinnerung an den Musiker bleibt in jedem Fall der Film „Weltrevolution“, an dem die Band über Jahre arbeitete. Die Dokumentation über die Entwicklung der wilden Truppe erschien 2011 auf DVD.

Stefan Weber’s Gattin Ilse stammte aus dem Murtal und so zog es die Wiener Familie immer wieder zur Sommerfrische nach St. Margarethen. Natürlich blieben diese Besuche nicht ohne einer Vielzahl an Bekanntschaften. Viele gingen wieder verloren und einige wenige blieben. Ich selbst erlangte durch Stefan den Kontakt zu meinem damaligen Idol Axel Corti. Der Schalldämpfer. Für mich alles andere als ein Dämpfer, denn einige Male durfte ich dem großen Literaten und Publizisten meine Texte übermitteln.
Im vergangenen Jahr war ich zu einem Interview- und Freundschaftsbesuch in Wien bei den Weber’s.
Ilse war wie immer im Hintergrund.

Ein Auszug aus dem Interview:

Wie ist das Leben mit Parkinson?
Stefan Weber: Ich war Grafiker und ich habe immer gerne geschrieben, und gerade das Schreiben ist jetzt schwer möglich. Meine Handschrift ist ein Gekriztel geworden. Das kann man sich kaum anschauen. Aber Parkinson ist bei jedem anders. Meine Frau hat auch Parkinson und sie sitzt im Rollstuhl. Ich bin wieder einer, ich kann rennen, und hab ein Bedürfnis nach Laufen. Dafür kann ich manchmal einfach nicht aufstehen. Wenn ich im Kino bin, kann ich nach dem Film den Sessel nicht verlassen, und dann reden die Leute schon mal komisch.

Und wie wirken die Medikamente?
Stefan Weber: Da gibt’s welche, die mental lockern und befreien, und dann ist man gut drauf.
Monika: Er hat Überbewegungen. So nennt man das. Und wenn man die medikamentös beruhigt, dann schlägt sich das psychisch nieder. Aber es soll ihm ja gut gehen. Er kann also sozusagen wählen, ob er ganz starr und unglücklich wird, oder ob er eben zuckt.
Stefan Weber: Ich habe es letztens geschafft, in einem Lokal drei Flaschen Wein umzuhauen. Beim ersten Tisch bin ich vorbeigegangen und hab wegen eines Zuckerers die erste Flasche mitgenommen. Dann wollte ich mich umdrehen und mich entschuldigen, und im Schwung sind dann die nächsten auch gleich mitgeflogen.
Monika: Das war teuer!

Wie war das für dich als du erfahren hast, dass dein Papa Parkinson hat?
Monika: Das war schon vor vielen Jahren, und am Anfang haben wir ihn noch verarscht: „Du gehst ja wie ein Duracell-Hase, bei dem die Batterie leer ist.“ Dann hat irgendwann ein Arzt gesagt, dass er Parkinson hat. Damals haben wir noch nicht realisiert, dass das immer schlimmer werden wird.
Stefan Weber: Schlimm ist ja die Sturzgefahr. Mittlerweile hab ich mir schon dreimal das Steißbein gebrochen. Bei jedem Schritt kann es passieren, dass ich irgendwo hängen bleib und hinflieg. Ein, zwei Mal die Woche plattelts mich schon auf. Ich hab jetzt nämlich wirklich ein Talent zum Fallen. Bei meinem letzten Konzert vor zwei Jahren kam ich auf die Bühne und machte sofort einen Köpfler. Die Leute haben gejubelt. Die haben geglaubt, das gehört zur Show.

Macht das melancholisch?
Monika: Vor wenigen Wochen hat er Geburtstag gehabt und wir haben uns alte Videos von ihm angeschaut, wo er ganz ruhig auf der Bühne steht. Das macht schon nachdenklich, aber was soll man machen? Er ist eben jetzt ein wackeliges Kerlchen.
Stefan Weber: Das Älterwerden ist sowieso schon schwer und dann auch noch Parkinson.
Monika: Komm setz dich auf, du bist schon zu knapp am Bettrand!
Stefan Weber: Sigst, so wird man behandelt im Alter! Das kommt davon, weil ich in der Jugend zu wenig streng zu dir war (beide lachen).

War der Papa ein fürsorglicher Papa?
Monika: Ja, schon. Er ist kein toller Koch. Am Samstag war sein Kochtag. Da gab es entweder Grammelknödel oder Fischstäbchen. Und er war immer lustig. Wir hatten quasi denselben Schulweg. Er hat ja in der Waltergasse unterrichtet, und ich ging ums Eck in die Volksschule. Wir sind also immer gemeinsam gegangen. Mich haben immer diese Horrorfilme interessiert, und die durfte ich in dem Alter natürlich noch nicht sehen. Aber am Schulweg hat er mir die ganzen Filme nacherzählt und zwar ganz naturgetreu! Deswegen bin ich in der Nacht dann oft bei meinen Eltern im Bett gelegen. Er war ein guter Erzähler (lacht). Und ich wollte die Geschichten trotzdem immer wieder hören.

Warst du ein schwieriger Vater oder hattest du eine schwierige Tochter?
Stefan Weber: Die Monika war gar nicht schwierig. Wenn ich ihr gesagt habe: „Jetzt betest du zehn Vaterunser“, ist sie schon in der Ecke gestanden und hat gebetet.
Monika: Sicher nicht (lacht)! Aber wir hatten nie ernsthafte Krisen. Ich war immer froh, dass ich so freie Eltern hatte. Als ich 14 Jahre alt war, durfte ich meine erste Party schmeißen, bei der die Eltern auswärts geschlafen haben, damit ich nicht gestört werde!
Stefan Weber: Ja, aber die haben nur DKT gespielt.

Stimmt das?
Monika: Nein, wir haben Bowle gemacht und allen war schlecht (lacht).

Hast du dir nie Sorgen um deine Tochter gemacht?
Stefan Weber: Hätte ich vielleicht sollen, hab ich aber nie. Da waren wir zum Beispiel mal in London, und da ist sie mit ein paar Irokesenpunks abgezogen, und ich hab mir nichts dabei gedacht. Sie ist dann nachher wiedergekommen und hat gesagt: „Das waren solche Trotteln.“
Monika: Ich muss auch sagen, ich hab nie eine Nachprüfung gehabt. Ich war immer gut in der Schule. Nachdem meine beiden Eltern LehrerInnen waren, sind wir im Sommer gemeinsam weggefahren. Da ich nie eine Gefährdung gehabt habe, waren unsere Reisen auch nicht gefährdet.
Stefan Weber: Ich hab mir eher Sorgen gemacht, dass sie zu brav wird.

Wie bist du zum Tätowieren gekommen?
Monika: Ich war auf der Graphischen, aber das fand ich fad und dann hab ich über eine Freundin Tätowierwerkzeug in den USA bestellt und gleich im Freundeskreis losgelegt. Was vielleicht nicht das Gescheiteste war. Es sind in dieser Zeit nicht unbedingt Meisterwerke entstanden. Und mein Papa hat ein Che-Porträt von mir am Oberarm. Er war wohl mein zehntes Opfer.

Wie war es, sich als Frau in dieser Domäne durchzusetzen?
Monika: Die Männer haben mich am Anfang gar nicht so wahrgenommen. Ich hab mich allein durchgewurschtelt. Sie haben mich auch nicht ernst genommen. Aber damit konnte ich leben. Während sie mich nicht wahrgenommen haben, hab ich mich weitergekämpft.
Stefan Weber: Jetzt kennt sie jeder. Letztens waren wir auf einer Messe in Graz, und dort hat man mich angesprochen – aber nicht auf mich, was mich sehr gewundert hat, sondern auf die Monika (lacht).

Hat dir die ATV-Doko über die Tätowierszene, in der du mitgewirkt hast, Spaß gemacht?
Monika: Nein. Die Kameraleute - wie Du Blacky - waren sehr nett, aber wie die Gespräche gelenkt wurden, war schon sehr mühsam. Was dabei rausgekommen ist, ist eh ok, aber zwischendurch war es sehr anstrengend. Immer am Wochenende drehen und immer eine Rolle spielen. Ich hab mich zusammengerissen, damit ich kein einziges Mal Oida sag (lacht).

Wenn ihr euch gegenseitig eine Liebeserklärung machen würdet, wie würde die dann klingen?
Monika: Ich liebe an ihm, dass er mir sehr viele Freiheiten gelassen hat und er mich unterstützt, auch bei meinen Burlesque-Shows. Nicht jeder Vater wäre stolz, wenn seine Tochter sich auf der Bühne ausziehen würde. Er ist immer stolz auf mich. Und ich liebe ihn für die tolle Kindheit, die er mir geschenkt hat.
Stefan Weber: Die Monika hat so ein sonniges Gemüt. Wenn ich depressiv in der Früh im Bett liege, kommt sie hereingeplatzt: „Hallo! Ich hab einen Kuchen mitgebracht!“ und baut mich damit auf. Und sie hat auch immer auf mich aufgepasst und mir oft das Leben gerettet. Wenn ich zum Beispiel ein Achterl trinke, dann bin ich total besoffen und dann schaut sie auf mich und setzt mich in ein Taxi. Und wenn ich verwundet war, dann hat sie mich schon oft gepflegt (Beide lachen laut).
Dafür liebe ich sie...

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